Das wohl stattlichste Gebäude des Marktes lag an seiner Nordseite, das Gasthaus und Pferdnergut zugleich war. Bei dem großen Brand von 1808 wurde es verschont und selbst in den Kämpfen am 14. Oktober 1813 lag der Schaden bei nur 30 Talern. Doch all das konnte seinen Abriss durch die Stadt Leipzig im Jahre 2006 nicht verhindern. Wo war da der Denkmalschutz?

Wohnhaus Markt 11 um 1900
Mit 81 Acker Feld, verglichen mit 84 Acker des ehemaligen Rittergutes, war es das Größte der 10 Pferdnergütern und gehörte 1813 Christian Friedrich Schmidt. Nach dessen Tod übernahm die wieder verheiratete Johanne Sabine Tille, verw. Schmidt laut Erbvergleich und Kauf am 12. Juni 1817 das Pferdnergut nebst Gasthof.
Das Wohnhaus mit Anbau, Krüppelwalmdach, gegliederter Fassade und über Stufen erreichbaren Mitteleingang war zweimal unterkellert. Die Tonnengewölbe lassen wie bei allen um den Markt stehenden Häusern die gleiche Form und Bauart erkennen. Erst wurde vor dem Hausbau die Grube für den Keller ausgehoben. Dabei ließ man das Erdreich in Form eines Halbzylinders stehen, setzte Findlinge als Fundament und begann mit der überwölbung. Danach verkeilte man alles und grub zuletzt die als Schalung benutze Erde heraus. Die Breite überschritt nicht 4 m, wobei die Höhe von 2,10 m bis 2,50 differierte. Die Länge richtete sich nach dem Bedarf und der Größe des Hauses, welches im zweiten Schritt dann darüber errichtet wurde. Erreichbar waren die Keller über einen gebrochenen, steinernen Treppengang vom Hausflur aus. An der Stirnseite der Keller diente häufig eine öffnung zum Ansetzen einer Rutsche aus Holz, einer sog. Schliefe, für die einzulagernden Waren sowie zu deren Belüftung.
Nach Fertigstellung der neuen von Leipzig nach Colditz führenden Chaussee (heute Muldentalstraße), war zu erwarten, dass ein Gasthof am Markt weniger Zulauf haben wird. So entschloss sich die "Tillin" ihre Gastgerechtigkeit an die neue Chaussee zu verlagern und eröffnete im Jahre 1825 den Gasthof "Drei Linden".
Ausgestattet war dieser mit "Billiardstube, Unterstube mit Kammer, Küche und Keller, im Obergeschoss mit 4 Stuben, 3 Kammern und Bodenraum, dazu die Gaststube und 4 Gastpferdestellen."
Nach kurzer Verpachtung kaufte der Mann ihrer Tochter aus erster Ehe, Johann Gottlob Birkigt, den Gasthof am 8. Juli 1833.
Ihr Pferdnergut am Markt verkaufte sie am 30. November 1846 ebenfalls an ihren Schwiegersohn.
Eine Marie Dorothea Amalia Birkigt heiratete später den das Untergut am Rossmarkt besitzenden Karl Friedrich August Liebner. Beide mit ihren Gärten aneinandergrenzenden Güter bildeten nun einen Betrieb, zu dem eine Kartoffelbrennerei gehörte sowie einige Arbeiterhäuser in der Gärtnergasse.
Friedrich August Liebner verkaufte den Betrieb 1901 an das Johannishospital zu Leipzig (seit dem "Stiftsgut") und baute sich gegenüber die heute wieder in ihrem alten Glanz erstrahlende Liebnersche Villa (Markt 10).
Viele Jahre lang bewirtschaftete der damalige Ritterguts-pächter Johannes Zerling das vom Johannishospital gepachtete Gut, in dem u. a. bis heute die letzte noch lokalisierbare und bis zu ihrer "Erstürmung" im Juni 1945 arbeitende Kartoffel-Schnapsbrennerei des Ortes existiert. Sie wurde zu DDR-Zeiten zur Tankstelle und später zum Heizhaus des VEB Pneumatische Transportanlagen umgebaut.
Nach dem 2. Weltkrieg und der Enteignung der Stadt Leipzig als Volkseigenes Gut (VEG), später Hof der LPG "1813" genutzt, verfiel das Gehöft in den letzten Jahren der DDR zusehends. Stark abgewirtschaftet fiel es dann nach der Wende an die damals ihre Selbstständigkeit gerade zurück gewonnene Gemeinde Liebertwolkwitz. Sie nahm zumindest eine Notsicherung des Wohngebäudes vor. Nach der Zwangseingemeindung in die Stadt Leipzig im Jahre 1999 und weiterer Untätigkeit kam es 2006 zu dem schon erwähnten, endgültigen Abriss des einst denkmalsgeschützten Wohnhauses mit Seitenflügel.
Aus: Schulze, Dieter und Zerling, Lutz (2008): Liebertwolkwitz - ein Dorf im Jahre 1813, kleiner historischer Führer um den Marktplatz von Liebertwolkwitz. Eigenverlag.